Winterkongress 2019 in Leipzig
… SCHÖNE NEUE WELT!? - Sicherheitsgesellschaft und Perspektiven der Gegenwehr
Inhaltlich möchten wir uns damit befassen, was die zunehmende repressive staatliche Sozialkontrolle für uns bedeutet, wie sie politisch über die Aufwertung des Sicherheitsdogmas legitimiert und in aktuellen Gesetzen verrechtlicht wird.
(1) Die aktuelle Gesetzgebung ist geprägt durch einen massiven Ausbau staatlicher Befugnisse, wie dies beispielsweise an der Ausweitung nachrichtendienstlicher und polizeilicher Kompetenzen deutlich wird. Zur Legitimation werden vielfach Sicherheitsbedürfnisse bemüht und Rechtsstaatserfordernisse behauptet.
Im ersten Slot geht es uns darum, das Phänomen der „Sicherheitsgesellschaft“ theoretisch zu fassen.
(2) Die strukturelle Erweiterung von staatlichen Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten gegenüber Bürger*innen wirkt sich auf unterschiedliche Bereiche staatlichen Handelns aus, denen wir uns im Rahmen des Kongresses intensiver widmen wollen. So wirkt der Staat über präventive Maßnahmen immer umfassender in bisher private Gesellschaftsbereiche ein. Gleichzeitig tritt die Exekutive im Rahmen ihrer bestehenden Kompetenzen betont repressiv auf. Gegenwärtig beobachten wir, dass zivilgesellschaftliches Engagement vermehrt unter (Rechtfertigungs-)Druck gerät und linker Aktivismus kriminalisiert wird. Diese Problematik werden wir in der zweiten Workshopphase an konkreten Beispielen anschauen und Praktiker:innen zu Wort kommen lassen.
(3) Staatliche Sozialkontrolle ist dabei immer Ausdruck der herrschenden gesellschaftlichen Bedingungen. Gerade auch diesen gesellschaftlichen Hintergründen und Voraussetzungen wollen wir uns in den Workshops nähern. Während wir auf nationaler und internationaler Ebene vielfach einen autoritären Backlash und den Aufschwung von Nationalismus und rechter Identitätspolitik erleben, die es zu analysieren gilt, wollen wir daneben in einer dritten Workshopphase nach Praxen und Perspektiven der Gegenwehr fragen und Aktivist*innen zu Wort kommen lassen.
Sommerkongress 2019 in Hamburg
… Stammheim, Stadion, Staatsgefährdung?! - Der politische Strafprozess
2019 war ein rechtspolitisch hochbrisantes Jahr. 70 Jahre Grundgesetz haben viele Feierlichkeiten mit sich gebracht, waren für uns aber nicht nur Anlass für Sekt und Schnittchen.
In diesem Geiste steht auch der Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen (bakj), der 2019 ebenfalls jubilieren durfte. 2019 wurde der bakj 30 – und das haben wir in Hamburg mit einem mutigen, radikalen, dissidenten und kreativen Kongress zelebriert.
Er hat vom 14.06. – 16.06.2019 in Hamburg stattgefunden
Der Titel der Tagung lautete
„Stammheim, Stadion, Staatsgefährdung!? Der politische Strafprozess.“
Der Stammheim Prozess zählt zu den großen politischen Strafprozessen des 20. Jahrhunderts. Ausgehend von neuen Erkenntnissen und der erstmaligen Veröffentlichung zentraler Quellen des Prozesses gegen die Protagonist*innen der ersten RAF Generation haben wir uns mit dem juristischen Erbe des Deutschen Herbstes auseinandergesetzt. Der
Stammheim Prozess führte insbesondere im Strafprozessrecht zu einschneidenden Entwicklungen und massiven Einschränkungen von Verteidiger*innenrechten, die bis heute nachwirken.
Um „terroristische Vereinigungen“ ging es aber nicht nur in Stammheim, auch im Stadion spielt der § 129a StGB eine nicht unbedeutende Rolle. Ultra-Gruppen werden zu Adressat*innen repressiver Staatsorgane um neue Strategien gegen politisch unliebsam gewordene Akteur*innen zu testen. Die Polizei erprobt sich in „Aufstandsbewältigung“.
Schließlich haben wir Kurdistan in den Fokus gerückt. Kurdische Aktivist*innen sind in Deutschland mehr denn je massiven Repressionen ausgesetzt. Mitunter genügt das Teilen eines journalistischen Beitrags auf facebook um auf den Radar der Ermittlungsbehörden zu geraten. Auch hier spielen in den Anklageschriften der Staatsanwaltschaft die §§ 129 ff. StGB eine zentrale Rolle.
Interessant ist dabei aber nicht nur das materielle Strafrecht, auch
haben wir uns mit politischen Formen und Methoden der Strafverteidigung
auseinandersetzen und die spezifische Rolle von Anwält*innen als politische Aktivist*innen in den Blick genommen.
Für uns war das Ziel des Kongresses Zusammenhänge zwischen Staat, Kapital und Repression herauszuarbeiten, aus historisch bedeutenden Prozessen für die Zukunft zu lernen sowie unsere subjektive Position als angehende Jurist*innen in dem bestehenden Staats- und Gesellschaftssystem zu reflektieren. Der Kongress hat dabei eine wichtige Schnittstelle zwischen universitärer Ausbildung, Selbstorganisierung, interdisziplinärer Vernetzung und Austausch mit Akteur*innen aus der Praxis eingenommen.
Die Tagung war offen für alle Menschen mit und ohne Immatrikulation, mit und ohne juristischen Hintergrund. Wir hatten darüber hinaus den Anspruch ohne Teilnahmegebühr allen Interessierten den Zugang zur Tagung zu ermöglichen.
Der Kongress het Freitagabend mit einer großen Auftaktveranstaltung in Form einer szenischen Lesung sowie einer Podiumsdiskussion begonnen, Samstag mit diversen Workshopschienen den inhaltlichen Fokus gesetzt, anschließend den Tag mit einer bunten Party ausklingen lassen und schließlich Sonntag mit einem gemeinsamen Plenum aller Gruppen, die im bakj organisiert sind, das Wochenende abgerundet.
Die Audiomitschnitte der Veranstaltungen findet ihr hier:
- Szenische Lesung aus den Stammheim-Prozessprotokollen
- Volk als Schlüsselbegriff für die Rechtsentwicklung am Umbruch zur Moderne – am Beispiel von Carl von Savgny mit Felix Speidel
- Umgang mit Polizeizeugen im Strafverfahren mit Lukas Theune
- Welche Rolle spielt das Geschlecht in einer Strafverteidigung mit Ikla Quirling
- Staatsfeind*innen im Stadion?! Erprobung von Aufstandsbewältigungsmaßnahmen an Fußballfangruppen mit Sören Kohlhubber
- Political Trials in Paris mit Raphael Kempf
- Wege durch den Knast mit Lukas Theune und Fenna Busmann
- Besiegte vor Gericht – Selektive Strafverfolgung in Den Haag mit Ronen Steinke
- Der Grill des Terrors – Legales Verhalten als „Terrorismus“ mit Britta Eder
- Einführung ins Feindstrafrecht mit Katrin Hawickhorst
- Kritik des Verfassungssschutzes – Befugnisse, Wirkmechanismen, Kontrolle mit Marinus Stehmeier und Eva Thiel
- Mitgegangen Mitgefangen – ein Blick auf 2 Jahre G20-Prozesse mit Gabriele Heinicke und Matthias Wisbar
Winterkongress 2018 in Frankfurt am Main
… Arbeitskampf und Klassenrecht
Freitag: 19:00
Ausbeutung-Arbeitskämpfe-Rechtsentsetzungen in der Arbeit 4.0 (Podiumsdiskussion)
Schlagworte wie Arbeit 4.0, Crowd Work aber auch die zunehmende Diskussion und Politisierung von Care-Arbeitsverhältnissen stehen für gegenwärtige Entwicklungen in der Arbeitswelt, die einhergehen mit technischem Wandel aber auch politischen Umstrukturierungen und Brüchen. Die Begriffe selbst machen auf eine Art und Weise anschaulich, in welche Richtung sich Arbeitsfelder und -verhältnisse verändern oder politisieren. Die konkreten Entwicklungen für die einzelnen Arbeiter*innen werden jedoch nur schwer deutlich, knüpfen sie doch an individuellen Erfahrungen und der konkreten Lebensrealitäten an. Für die Einzelnen sind die damit einhergehenden Veränderungen ambivalente Erfahrungen: sie bieten praktische, technische Erneuerungen, scheinbare Unabhängigkeit, Selbstverantwortung und Flexibilisierung, erzeugen dabei aber neue Formen der (Selbst-)Ausbeutung, sozialen Kontrolle, Prekarität, soziale Unsicherheit sowie Verschleierung von Machtverhältnissen.
Im Rahmen der Podiumsdiskussion soll sich diesen alten und neuen Fragen im Hinblick auf die Herausforderungen sowie Möglichkeiten kollektiver Organisierung gewidmet werden.
Als Diskutierende konnten verschiedene Akteure gewinnen. Die FAU hat sich in der Praxis mit der Organisation von „Ridern“ diverser Essenslieferant*innen beschäftigt. Elfriede Harth ist (Mit-) Begründerin des Care-Revolution-Netzwerkes Rhein-Main und setzt sich mit Fragen der Möglichkeit der Organisierung von Care-Arbeiter*innen auseinander. Johannes Höller stellt sich aus einer wissenschaftlichen Perspektive die Frage nach der Möglichkeit der Organisierung von Crowd-Worker*innen.
Samstag: 8:30
Frühstück, ab 9:45 Warmup/Kennenlernen
Samstag I: 10:00-12:00
Vom Recht zur Kritik zur Kritik der Rechte (Hannes Kaufmann)
Aktuelle Kritiken des Rechts oder der Rechte müssen sich die Frage stellen (lassen) inwiefern sie zeitgemäß sind. Käme es angesichts erstarkender autoritärer Tendenzen aus einer kritischen Perspektive nicht eher darauf an, Rechte zu verteidigen? Ist Kritik sogar auf Rechte angewiesen? Ein solcher Ansatz findet sich in einer Theorietradition, die unter dem Druck eines autoritären Regimes entstanden ist: der Kritischen Theorie. Allerdings wird hier noch ein zweiter Zusammenhang von Recht und Kritik aufgeworfen. Denn die durch Recht vermittelte Herrschaft ruft auch ihre eigene Kritik auf. Bereits bei Adorno und Horkheimer wird diese Verbindung vom Recht auf Kritik und der Kritik des Rechts oder der Rechte betrachtet. Über eine Rekonstruktion dieses Verhältnisses wollen wir uns im Workshop zu aktuellen Formulierungen dieses Verhältnisses, vor allem in den jüngeren Arbeiten Christoph Menkes vorarbeiten und eben diese Spannung diskutieren.
Genese des Streikrechts (Pascal Annerfelt)
Mit „Streich“ bzw. „Schlag“ lässt sich die englische Wortquelle des Streikbegriffs übersetzen. Wohl kaum, was im deutschen Arbeitsrecht als legitime Streikmaßnahme verstanden wird. Wir wollen in diesem Workshop gemeinsam der historischen Entstehung und Entwicklung des Streikrechts nachgehen. Dabei werden wir uns verschiedene Verständnisse und rechtliche Konzeptionen anschauen und insbesondere das deutsche Streikrecht einer kritischen Überprüfung unterziehen.
Sex-Arbeit? – (ziellose) Regulierung im Dunkelfeld (Nadine Bernhardt)
Der Workshop von Nadine Bernhardt erarbeitet die aktuelle Rechtslage zur Regulierung von Sexarbeit, insbesondere im Hinblick auf das 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz. Dabei werden die Besonderheiten der Gesetzgebung zur Prostitution skizziert und erarbeitet, welche sozial- und arbeitsrechtlichen Nachbesserungen notwendig sind, um die Situation von Sexarbeiter*innen in Deutschland zu verbessern und zu deren Entstigmatisierung beizutragen. Einzelne Fallbeispiele und die Darstellung verschiedener Arbeitsrealitäten in der Sexarbeit sollen verdeutlichen, wie heterogen dieses Gewerbe in Wirklichkeit ist.
Samstag II: 13:30-15:30
Union Busting (TIE)
Las Mary (Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von ZARA) und Malte (TIE) werden in ihrem Workshop die Erfahrungen mit Union Busting, also der professionellen Bekämpfung von Gewerkschaften und Betriebsräten, verarbeiten. Dies wird interaktiv in Form einer Talkrunde unter Einbeziehung der Teilnehmenden geschehen.
Arbeitskämpfe im Ausnahmezustand (Bernhard Schmid)
In Bernhard Schmids Workshop geht es um die Streikbewegungen der letzten Jahre und den Widerstand der französischen Gewerkschaften gegen den radikalen Staatsumbau unter Macron. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei darauf, wie die durch den mehrjährigen Ausnahmezustand zur Verfügung stehenden repressiven Methoden gegen diesen Widerstand eingesetzt wurden.
Arbeitskämpfe im Carebereich (Theresa Tschenker)
Theresa Tschenker wird in ihrem Workshop, angelehnt an das Thema ihrer Promotionsarbeit, darlegen, wie die Arbeitskämpfe in frauendominierten Berufsgruppen zugenommen haben, dass die gesellschaftliche Anerkennung für frauendominierte Berufe fehlt und die Arbeitsbedingungen prekär sind, sowie den juristischen Diskurs und die Probleme bei Arbeitskämpfen auf Quasi-Märkten thematisieren.
Mietrecht und Recht auf Stadt (Conny Petzold)
Aus der Beratungspraxis des Mietervereins MIETER HELFEN MIETERN Frankfurt e.V. berichtet Conny Petzold über wohnungspolitische Auseinandersetzungen in Frankfurt und Rhein-Main. Vor dem Hintergrund der Rückkehr der Wohnungsnot in der Region soll im Workshop diskutiert werden, wie Mietrecht Kämpfe um das Recht auf Stadt untermauern kann bzw. an welchen Punkten das kodifizierte Recht dem Kampf um das Recht auf Stadt Grenzen setzt und welche anderen wohnungspolitischen Strategien sich bieten.
Samstag III: 16:30-18:30
Die praktische Bedeutung des Antidiskriminierungsrechts (Friederike Boll)
Wenn die Nadel den Heuhaufen aufspießen will: Anwaltliche Praxis gegen Diskriminierung
Das Anti-Diskriminierungsrecht ist noch relativ jung und die anwaltliche Praxis noch eher selten. Dabei bietet das Rechtsgebiet wie sonst kaum ein anderes die Möglichkeit mit den Mitteln des Rechts in der alltäglichen Praxis weitergehende politische Fragen bzw. Fragen der „Gerechtigkeit“ aufzuwerfen.
In der anwaltlichen Praxis spiegeln sich zugleich die Grenzen und Möglichkeiten des Rechtssystems innerhalb der bestehenden Verhältnisse wieder. Neben einer kurzen Übersicht über anti-diskriminierungsrechtliche Themen und Problemstellungen soll daher eine rechtstheoretische und gesellschaftskritische Reflektion über das Arbeiten mit diesem Rechtsgebiet anhand von Beispielen aus der anwaltlichen Praxis erfolgen. Zu kurz kommen soll dabei auch nicht die kritische (Selbst)Betrachtung unserer Position als juristische Facharbeiter*innen mit zugeschriebenem Expert*innenstatus.
Arbeitskämpfe an der Universität (unter_bau)
In diesem Workshop der universitären Basisgewerkschaft „unter_bau“ wird es um die Frage gehen, wie sich der Widerstand gegen die fortschreitende Prekarisierung universitärer Beschäftigung organisieren lässt. Dabei geht es zum einen um einen umfassenderen, statusübergreifenden und beschäftigungsunabhängigen Organisationsansatz, aber auch um ganz konkrete Erfahrungen von Arbeitskämpfen um bessere Tarifverträge an Universitäten.
Die Situation von Wanderarbeiter*innen (DGB Projekt Faire Mobilität)
In diesem Workshop wird die Entwicklung des EVW (Verein für Wanderarbeiterfragen) sowie des Projektes Faire Mobilität und Faire Integration kurz vorgestellt. Weiterhin wird auf typische Konstellationen und spezifische Problemlagen der osteuropäischen und geflüchteten Arbeitnehmer*innen auf dem deutschen Arbeitsmarkt eingegangen. Anhand konkreter Fallbeispiele wird zudem die prekäre Situation der Menschen, die in jene Beratungsstellen kommen, verdeutlicht. Am Beispiel einiger besonders relevanter Branchen wird weiterhin verdeutlicht, wie die Projekte bei der Unterstützung der Ratsuchenden bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche vorgehen. Schließlich soll mit den Teilnehmer*innen über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Arbeit und praktische Strategien, um die Situation osteuropäischer mobiler und geflüchteter Beschäftigter nachhaltig zu verbessern, diskutiert werden.
Vernetzungsslot
Samstag IV: 22:00 Party
Sonntag: 10.00
Frühstück, Abschlussplenum von 11:00-13:00
Winterkongress 2016 in Greifswald
… vor Gericht
Thematisiert werden soll, wie und inwieweit vor Gericht Rechtsfindung stattfindet und welche Faktoren diese beeinflussen. Dabei soll es um die Rolle der beteiligten Akteur_innen (insb. der Richter_innen), die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe von Prozessen und die praktischen Konsequenzen der Urteile gehen.
Während im Jura-Studium primär die Gesetzesnormen und ihre fachliche Interpretation behandelt werden, spielt die tatsächliche Anwendung dieser im Rechtsalltag erst nach dem ersten Staatsexamen eine Rolle. Wir wollen mit der Themengebung auf diesem Kongress den Teilnehmenden einen Anreiz bieten, sich auch über das universitäre Studium hinaus schon früh mit gerichtlichen Prozessen zu beschäftigen.
Weitere Infos finden sich bald auf der Homepage des AKJ Greifswald: recht-kritisch.de
Sommerkongress 2016 in Leipzig
Recht queerfeministisch

Friederike Boll machte mit einem Vortrag über die gesellschaftliche Wirkung von Recht in Hinblick auf die Konstruktion von Geschlecht den Auftakt. Sie zeigte, wie sehr das aktuelle Recht auf sexistischen Herrschaftsverhältnissen beruht und welche Chancen es gleichzeitig für emanzipatorische Politikbestrebungen bietet.
Am Samstagmorgen startete die erste Workshop-Phase. Kathrin von Ow ließ die Workshopteilnehmer*innen ihre Idealvorstellungen von Care-Arbeit diskutieren, indem sie sie aus einer utopischen Zukunft berichten ließ. Im Workshop von Kirsten Achtelik wurde die aktuelle Debatte um das Spannungsfeld zwischen den emanzipatorischen und systemerhaltenden Potenzialen des feministischen Konzepts „Selbstbestimmung“ in Bezug auf Abtreibung behandelt. Dabei wurde insbesondere auf Gemeinsamkeiten und Konflikte der Frauen*- und Behindertenbewegung eingegangen. Anja Schmidt diskutierte die Wirkmacht von Pornographie im Hinblick auf die Frage, ob sie lediglich patriarchale Verhältnisse aufrecht erhält und befeuert oder ob sie auch in einem emanzipatorischen Sinne inspirierend sein kann. Mit der Frage ob und wann die Diskriminierung und Verfolgung von LGBTIQ*s als Fluchtgrund anerkannt wird, beschäftigte sich Barbara Wessel.Wie Zweigeschlechtlichkeit rechtlich festgeschrieben ist, wurde im Workshop von Friederike Boll behandelt. Dabei wurde zunächst die derzeitige Ausgestaltung des Personenstandsrechts dargestellt, um dann grundrechtsdogmatische Argumente gegen eben dieses zu entwickeln. Bei Doris Liebscher wurden verschiedene Modelle eines postkategorialen Antidiskriminierungsrecht diskutiert, die mit der Frage der Verfestigung von Kategorien durch ein eigentlich für emanzipatorische Kämpfe nutzbares Gesetz unterschiedlich umgehen.
Das gerade verabschiedete Prostituiertenschutzgesetz nahm Anja Kasten, selbst Sexarbeiterin und politische Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistung zum Anlass der Kritik an der Regulierung von Sexarbeit.Unter dem Titel „Kritische Männlichkeit und Strafrecht“ beschäftigte sich Maria Sagmeister mit der Verbindung von kritischer Männlichkeitsforschung und feministischer Strafrechtskritik.
Da zu jedem BAKJ-Kongress auch eine BAKJ-Party gehört wurde am Samstagabend gefeiert. Dementsprechend verzögerte sich das Plenum am Sonntagmorgen bis alle mit Hilfe von Kaffee und Mate in die notwendige Verfassung versetzt wurden.
Herbstkongress 2015 in Freiburg
Strafrecht – Kritischer Teil

Die BAKJ-Kongresse finden zweimal im Jahr an wechselnden Orten statt. Sie dienen neben der Vernetzung, auch der Weiterbildung in einem entsprechend Schwerpunktthema. Diesen Herbst sollte es das Strafrecht sein.
Den Auftakt am Freitagabend gab Roland Hefendehl. In seinem Eröfnungsvortrag ging er der Frage nach, ob das Strafrecht als das schärfste Eingriffsinstrument des Staates nicht schlicht der Herrschaftssicherung diene. Sein Fazit war, dass Recht in einer bürgerlichkapitalistischen Gesellschaft Ausdruck von Herrschaftsverhältnissen sei und als Steuerungsmedium diene.
Weiter ging der Kongress am Samstag und Sonntag in drei verschiedenen Workshop-Phasen.
Der Freiburger Strafverteidiger Michael Moos sprach in seinem Workshop über die §§ 129a, 129b StGB. Diese stellen bereits die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung unter Strafe. Es wird also weit im Vorfeld konkreter Rechtsgutsgefährdungen angesetzt. Laut Moos wurde damit bereits der Weg von einem Tatstrafrecht hin zu einem uferlosen Gesinnungsstrafrecht beschritten. Das Strafrecht sei also unter anderem Mittel zur Disziplinierung der politischen Gegner_innen.
Friederike Boll sprach zur Reform des Vergewaltigungsparagraphen. Einführend gab Boll einen Crashkurs im Sexualstrafrecht, da dies in der juristischen Ausbildung gänzlich außen vor bleibt, und eine Einführung in die staatskritische heorie. Sie zeigte praxisnah die Erscheinungsformen und Ursachen von sexualisierter Gewalt auf und erläuterte die Lücken und Probleme der Strafverfolgung. Fazit war, dass es unter den gegebenen Umständen einer vergewaltigten Person kaum zu raten sei, Strafanzeige zu stellen.
Nadine Marquardt und Daniel Loick von der knas[] Initiative für den Rückbau von Gefängnissen zeigten auf, wie mit dem Mittel der Ersatzfreiheitsstrafe Armut bestraft und ein Milieu fabriziert wird, das konstanten staatlichen Interventionen ausgesetzt ist. Diese Art der Freiheitsstrafe betrifft vor allem Menschen, die für geringfügige Vergehen eine Geldstrafe zahlen müssen. Wer dies nicht kann, muss stattdessen ins Gefängnis. Laut Marquardt und Loick mit verheerenden Folgen: Haftstrafen sind psychisch belastend und stigmatisieren, sie lassen Betroffene vereinzeln und zerstören Arbeits- und Wohnverhältnisse.
Neben den Workshops bot das BAKJ-Plenum Gelegenheit für den Austausch zwischen den einzelnen akj-Gruppen. Eine rauschende Party am Samstagabend tat ihr übriges dafür.
Seit 25 Jahren gibt es den BAKJ als selbstorganisiertes Netzwerk. Ganz in diesem Sinne war der Jubiläumskongress als Open-Space konzipiert und die einzelnen kritischen Juragruppen konnten ihre Themen mitbringen. Neben der offenen inhaltlichen Ausrichtung standen der Austausch und die Vernetzung der Gruppen im Mittelpunkt. Hierbei wurde deutlich: Auch nach 25 Jahren wird der BAKJ noch von sehr aktiven Gruppen vor Ort getragen. Das Spektrum der Aktivitäten reicht von Selbstorganisation im Studium über Erstsemesterveranstaltungen bis hin zu politischer Arbeit wie Prozess- und Demonstrationsbeobachtung. So gab es auch einen Grund, sich selbst zu feiern und die Sektkorken knallen zu lassen.
Der BAKJ-Winterkongress fand vom 12. bis 14. Dezember 2014 im ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld in Frankfurt am Main statt. Passend zur Geschichte des Ortes ging es dieses Mal schwerpunktmäßig um Repression und Strafen. Eine Führung durch das Gebäude verdeutlichte die Notwendigkeit, sich kritisch mit staatlicher Repression auseinanderzusetzen. Das Klapperfeldgefängnis diente in seiner Geschichte als Ausgangspunkt für die Deportation verfolgter Menschen im Nationalsozialismus, zur Ingewahrsamnahme während den Protesten von 1968 und später hauptsächlich als Abschiebeknast. Mittlerweile wird das Klapperfeld von der Initiative „faites votre jeu“ als linkes Kulturzentrum genutzt.
Zusammen mit zwei ehemaligen BAKJler*innen blickten wir am Freitagabend auf die Zeit in den 1980ern und 1990ern zurück und eröffneten damit den Kongress. Am Samstag wurden Theorie und Praxis der Rechtskritik diskutiert. Die Praxis war dabei durch Workshops zu Prozessbeobachtung, linkem Aktivismus und Jurastudium, sowie der Organisation eines Ermittlungsausschusses vertreten. Aus theoretischer Sicht wurden Themen wie die Zweigeschlechtlichkeit des Rechtsstaates, die Menschenrechtskritik bei Karl Marx und die Potentiale von Entschädigungsprozessen diskutiert. Im Abendplenum ging es um das Selbstverständnis des BAKJ und seine Arbeitsweise. Hierbei haben wir entschieden, eine Stellungnahmen zum juristischen Schwerpunktstudium zu verfassen: Wir fordern den Ausbau des Schwerpunktes auf 50 % des Studiums.
Der BAKJ schloss am Sonntag mit einer Matinée mit Prof. Dr. Helga Cremer-Schäfer. Sie stellte die Neuauflage ihres Buches „Straflust & Repression – Zur Kritik der populistischen Kriminologie“ vor und kritisierte die Strafrechtswissenschaft als affirmative Stütze des Strafsystems
Diesen Sommer hat sich der BAKJ in Frankfurt getroffen, um über das Thema Stadt und Recht zu diskutieren. Zentrale Probleme der Gegenwart – und damit zentrale Rechtsprobleme – spielen sich in den Städten ab. Eine Forschung zum Recht in der Stadt gibt es jedoch kaum; Mechanismen der Rechtserzeugung, ihrer lokalen Wirkungen und Gründe werden nur selten und dann theoretisch unterbelichtet in den Blick genommen. Hier knüpfte der diesjährige Sommerkongress des BAKJ an und versuchte, das Recht und seine Stadt aus verschiedenen, etwa wissenschaftlichen, aktionistischen und popkulturellen, Blickwinkeln klarer zu fassen.
Wie wird die moderne Stadt rechtlich hergestellt und abgesichert – und welche Rolle nehmen dabei rechtliche Instrumente ein? Welche Wirkung haben private Sicherheitsagenturen mit ihren oft ungeklärten rechtlichen Kompetenzen, sowie die neuen Formen der Überwachung? Wie verlängern sich Mechanismen der Ausgrenzung in der neuen, scheinbar „bunten“ und „liberalen“ Stadt? Und was hat es, rechtlich gesehen, mit der Rigidisierung von Sicherheitsvorstellungen und der zunehmenden Intoleranz gegen Lärm, Schmutz und Gewalt auf sich, wie sie an Stadionverboten sinnfällig wird oder in der Auseinandersetzung um das Trinken auf öffentlichen Plätzen?
Die Stadt und soziale Kontrollpolitiken haben einen Wandel erfahren. Während Städte früher einen Ort des Sozialen darstellten und sich Kontrollpolitik primär an deviante Subjekte(wie Wohnungslose oder Drogenkonsumierende) und deren Reintegration richtete, verstehen sich Städte heute als Orte des Konsums. Dementsprechend zielen urbane Kontrollpolitiken auf die Sauberkeit und Ordnung von Orten. Die Wohlfühlatmosphäre in einer Welt des reinen Konsums (Fraport-Urteil des Bundesverfassungsgerichts) darf bloß nicht durch verstörende Armut oder vermeintlich anrüchige Sexarbeit beeinträchtigt werden. Die Politik einer „sauberen“ und „sicheren“ Stadt wird durch rechtliche Instrumente, wie Funkzellenüberwachung, Platzverweise, Aufenthaltsverbote, Sperrgebietsverordnungen oder die geplante Genehmigungspflicht für Prostitution etc. durchgesetzt. In verschiedenen städtisch geprägten Bereichen finden lokal umkämpfte Prozesse der Ausschließung und Unterdrückung statt: Wohnungslosigkeit, Sexarbeit, Wanderarbeit, Drogenkonsum, Fußballfantum. Durch räumlich-soziale Kontrolle werden diese als deviant definierten Subjektpositionen als das „Andere“ produziert und damit gleichzeitig (polizei-)rechtliches Vorgehen gegen diese Gruppen unter dem Slogan der Sicherheit und Ordnung legitimiert.

Um die Möglichkeiten und Grenzen des Werkzeugs Recht zu diskutieren, stellte der organisierende akj Berlin der HU im Kubiz in Berlin ein ausführliches Programm auf die Reihe. Am Freitagabend gab es eine Podiumsdiskussion zum Thema „Befreiung durch Antidiskriminierungsrecht – Wo ist die Bewegung?“
Am Samstag erwarteten die von der vorabendlichen Party im Tagungshaus gut erholten Teilnehmer_innen diverse Workshops. Um eine gemeinsame Basis zu schaffen, worüber wir eigentlich reden, gab es zunächst drei verschiedene „Grundlagenworkshops“. Beispielsweise diskutierten wir im Workshop „Zusammen im Recht“ über die verschiedenen Rollen von Betroffenen, Supporter_innen und Jurist_innen, ob diese überhaupt so kategorisiert werden können und sollten und vor welchen Schwierigkeiten die rechtliche Unterstützung politischer Bündnisse steht. Und im Workshop „Rechtsdurchsetzung und Zwang“ kamen die Teilnehmer_innen schließlich auf die Frage, inwiefern die Kritik an Zwangsmaßnahmen beispielsweise der Polizei auch auf eigene Durchsetzungsmethoden wie Awareness-Teams übertragbar ist. Nach dem Mittag (hier kurz das allgemeine Lob des spitzenmäßigen Essens – durchgehend superlecker!) ging die erste Workshopphase los. Die Berliner_innen schafften es nicht nur, acht Workshops parallel anzubieten, sondern auch so viele Leute zum Teilnehmen zu begeistern, dass alle Workshops gut besucht waren. Themen waren z.B. Geschlecht im Recht, Aufenthaltsrecht, Racial Profiling, Wohnraumaneignung und Zwangsräumung oder Rechtliche Kämpfe im Knast. Die meisten Workshops wurden protokolliert und eine Dokumentation angekündigt. Abends gab es ein Theaterstück der „Ratten“ und danach eine weitere Party mit Bands. am Sonntag gab es dann noch eine zweite Workshopphase, das BAKJ-Plenum und eine gemeinsame Fahrt zur Ausstellung der Juristischen Fakultät der HU „Wer weiterliest, wird erschossen“.
Vom 14. bis 16. Juni 2013 fand der diesjährige Sommerkongress des BAKJ mit dem Titel „ÜBER:DRUCK – Repression und Recht“ in Hamburg statt. Organisiert wurde er von den Hajen (Hamburgs Aktiven Jurastudent_innen) und – obwohl Eigenlob stinkt – es war verdammt gut!
Rund 100 Teilnehmer_innen, darunter sogar einige aus Graz, Wien und Freiburg, hatten den Weg nach St. Pauli gefunden, um gemeinsam ein Wochenende lang juristischen bzw. rechtspolitischen Fragestellungen nachzugehen. Dass neben dem ganzen inhaltlichen Input auch die Sinne auf ihre Kosten kamen (hochgelobtes veganes Essen, lecker Bier, Bad Taste und Hafenpanorama), versteht sich von selbst.
Los ging es am Freitagabend mit einer Podiumsdiskussion, die von einigen sogar, ihrem Charakter als Podiumsdiskussion zum Trotz, als Highlight des Kongresses bezeichnet wurde: Aus juristisch-anwaltlicher (Britta Eder), wissenschaftlicher (Andrea Kretschmann) und parlamentarisch/politischer Sicht (Christiane Schneider) wurde mit Hilfe von Thesen die Frage beleuchtet, was Repression eigentlich ist. Ausgangspunkt der Diskussion war die These, dass Repression viele Gesichter hat und sich nicht nur auf physischen Zwang reduziert. Sie zeigt sich ebenso in der Sozialpolitik, im Umgang mit Menschen ohne deutschen Pass, in Sicherheits- und Kriminalitätsdiskursen sowie in den Anforderungen, die an Menschen und die Gestaltung ihres Lebens gestellt werden.
Dieser rote Faden war auch in den drei Workshopphasen am Samstag und Sonntag immer gut sichtbar. Workshops gab es zu den Themen Asyl- und Aufenthaltsrecht; Sexarbeiter_innen – zwischen Repression und Opferschutz; Versammlungsrecht; Politiken des Sozialen zwischen Selbstführung, Aktivierung und Ausschließung; Gefangene vor dem Gesetz: Rechtswirklichkeit in der totalen Institution; Hegemonie, das Recht und die Piraten; Alles, was Recht ist…– Zur Ausgrenzung im „Unternehmen Stadt“; EU-Repressionsarchitektur und gemeinsame Aufstandsbekämpfung; Angstdiskurse – Neue „Gefahren“ im städtischen Raum; Strafrecht? Abschaffen! und zu praktischer Antirepressionsarbeit.
Im Rahmen des Kongresses wurde zudem beschlossen, dass der BAKJ an einem Positionspapier zur juristischen Ausbildung (weiter-)arbeitet, das auf dem nächsten Kongress aller Voraussicht nach verabschiedet wird. Außerdem ist die HU Berlin nun wieder Teil des BAKJ. „Willkommen zu Hause“ lautete die erste Reaktion aus dem Plenum. In Vorfreude auf den nächsten Kongress.